Sigarews Name und sein Theaterstück 
    “Plastilin” riss die Theaterwelt vor wenigen Jahren durch seine lebensnahen 
    Inhalte beinahe auseinander. Ein Jugendlicher, der in einer apokalyptischen 
    Welt untergeht und sie letztendlich verdammt, schockiert den Betrachter. 
    Deutsche Zuschauer konnten die Verfilmung dieses Werks in der Inszenierung 
    vom Moskauer Regisseur Kirill Serebrennikow bereits 2002 sehen. 
    
     Mit dem Theaterstück “Schwarze Milch” setzt 
    Sigarew das Thema der “Unreinheit”, sowohl der innerlichen als auch der 
    äußerlichen, fort. Bereits in den ersten Zeilen seines Stücks sagt der 
    Autor: ”Du Dreckige Grenzenlose Heimat Mein!”
    
     Welcher Russe kennt nicht 
    heruntergekommene, scheußlich riechende Bahnhofshallen mit vollgespuckten 
    Sitzen und schäbigen Wänden, Dreck ohne nur irgendwelche 
    Zivilisationsspuren, russisches Volk in  abgeschabten gesteppten 
    Bauernjacken und im Alkoholdunst?
    
     An so einer kleinen Bahnstation mitten im 
    Nirgendwo landet ein junges Paar. Raffiniert drehen die beiden zynischen 
    Moskauer Händler bettelarmen einfältigen Hinterwäldlern ganz gewöhnliche 
    Toaster aus Kunststoff an. Diese Narren schmeißen ihren halben Monatslohn 
    dafür weg. Der Wucher fliegt auf. Die Dorfbewohner kommen mit den Toastern 
    zurück und wollen ihr Geld wieder haben. Lewtschik und Kleine (so nennen 
    sich die jungen Leute) fertigen das Volk obszön ab. Diese ziehen weg “... 
    mit hoffnungslos ausgebreiteten Armen”, um mit Gedichtzeilen Nekrasows zu 
    sprechen. Die jungen Leute sind zufrieden - haben eben viel Kohle abgezockt. 
    Wenn nur nicht ein “Aber” dazwischen käme. Die junge Frau ist im achten 
    Monat schwanger. Anstatt in einer Moskauer Privatklinik muß sie jetzt in 
    diesem “vom Gott verlassenen” Drecksloch ihr Kind zur Welt bringen. 
    
    
     Der zweite Akt versetzt uns an die gleiche 
    Stelle, nur 10 Tage nach der Geburt des Babys. Lewtschik will mit seiner 
    Frau endlich die Rückreise in die Zivilisation, nach Moskau, antreten. 
    Plötzlich beschließt die junge Frau, auf dem Land mit den einfachen 
    russischen Menschen zu leben. Warum sind ihr diese Bauerntölpel plötzlich so 
    herzensnah und seelenverwandt geworden? Darüber erfahren Sie in der 
    Aufführung der Theatergruppe “Brücken”, inszeniert von Elena Forr. 
    
    
     Das Stück impliziert viele Aspekte - es 
    gibt Raum für Paradoxie, Lachen und Tränen. Ein russischer Zuschauer wird 
    möglicherweise einen Hauch von Nostalgie verspüren nach den Menschen, mit 
    denen er seine Kindheits- und Jugendjahre verbracht hat. Einem deutschen 
    Zuschauer könnte ein tieferer Sinn des Begriffs “russische Seele” offenbart 
    werden.